Was brauchen wir zur Konfliktlösung?
„Du bist doch Mediatorin – kannst du mir erklären, wie ich Konflikte im Team am besten löse?“
Die Frage begegnet mir ziemlich oft in der letzten Zeit. Grund genug, um sie zum Thema dieses Blogposts zu machen.
„So pauschal kann man das nicht sagen“, ist wohl die erste Antwort auf die Frage.
Das erwartet dich
Wie erkennt man die Zusammenhänge hinter dem Konflikt und warum ist das wichtig?
Bevor ich eine Antwort auf die Frage nach einem guten Lösungsweg für einen Konflikt im Team gebe, stelle ich eine Reihe wichtiger Fragen:
- Wie groß ist das Team?
- Wer sind die Konfliktbeteiligten?
- Gibt es verschiedene „Lager“?
- Was sind die Kernthemen, um die sich der Konflikt dreht?
- Gibt es einen Auslöser für den Konflikt? Oder ist er vielleicht schleichend entstanden?
- Wie stark ist der Konflikt auf einer Skala von 1 bis 10 schon eskaliert?
- Was wurde schon versucht, um den Konflikt zu lösen?
- Wie sind die Rahmenbedingungen (gemeint sind z. B. Hierarchien oder die Konfliktkultur im Unternehmen)?
Konflikte zeigen sich sehr unterschiedlich in der Intensität, in den Hintergründen, Rahmenbedingungen und in den Themen, die zum Konflikt geführt haben. Und natürlich gehen die Menschen, die am Konflikt beteiligt sind, sehr unterschiedlich damit um.
Die einen gehen dem Konflikt eher aus dem Weg und suchen dabei den Weg des geringsten Widerstands. Die anderen gehen offensiv hinein, scheuen den Konflikt nicht, treten eher fordernd auf.
Die Dynamik im Team und insbesondere im Konflikt ist stark davon bestimmt, welche Konflikttypen aufeinandertreffen und welche Rolle diese Menschen im Team haben.
Deshalb kann eine gute Lösung nach meiner Erfahrung erst dann entstehen, wenn wir Licht in diese Zusammenhänge gebracht haben.
Welche Rolle spielt die Frage nach der Schuld?
Oft höre ich Sätze wie zum Bespiel: „Herr Schulze ist schuld am Konflikt, weil er immer gleich laut wird.“ Die Frage nach der Schuld steht bei sehr vielen Konflikten im Raum, denn die meisten Menschen möchten ungern Auslöser eines Konflikts sein. Ich kann das gut verstehen. Besonders mit dem Wissen, dass Menschen in Konflikten oft so gestresst sind, dass sie sich anders verhalten, als sie es von sich selbst erwarten. Das ist für viele Menschen eine unangenehme Erkenntnis.
Doch wie relevant ist die Frage nach der Schuld für die Lösung? Führt es wirklich weiter, dass derjenige, der sich schuldig bekennt, den Konflikt ausgelöst zu haben, eine Wiedergutmachung leisten muss? In sehr vielen Fällen nicht!
Was dagegen tatsächlich weiterbringt, ist die Frage, was denn eigentlich für Interessen oder Bedürfnisse hinter solchen Sätzen stehen?
Konflikte entwickeln sich weiter – ein Fall aus der Praxis
Hinter dem Beispielsatz: „Herr Schulze ist schuld am Konflikt, weil er immer gleich laut wird“, könnte sich vielleicht folgende Situation verbergen:
Mitarbeiter Müller ist neu in einem Themengebiet und macht noch einige Fehler. Sein Kollege Schulze ist sehr erfahren und soll deshalb Herrn Müller einarbeiten.
Einige Zeit vergeht – und Herr Schulze reagiert zunehmend angespannt auf die Fehler von Herrn Müller, er wird manchmal sogar laut und ungehalten.
Herr Müller wird immer unsicher und stellt Herrn Schulze immer mehr Fragen – auch zu Dingen, die er eigentlich schon einmal bearbeitet hat und – so Schulze – bereits kennen sollte. Außerdem fragt er sich, ob er mit Herrn Schulze eigentlich dauerhaft zusammenarbeiten will – der Tonfall von Herrn Schulze macht ihn sauer.
Herr Schulze beginnt an der Kompetenz von Herrn Müller zu zweifeln. Sein Gedanke: „Alleine wäre ich schneller.“
Herr Müller, glaubt langsam, dass Herr Schulze ihn loswerden will.
Das Team um Herrn Müller und Herrn Schulze wird mittlerweile auch beeinträchtigt von der Situation.
Wer ist hier also schuld?
Ich kann die Frage nicht beantworten und die Antwort bringt uns nach meiner Erfahrung an der Stelle auch nicht weiter. Was uns weiterbringt, ist den Blick auf die Interessen und Bedürfnisse der beiden zu lenken und die Zusammenhänge besser zu verstehen.
Hintergründe und Interessen
Nach den Hintergründen und Interessen gefragt, schildert Herr Schulze, warum der Job ein sehr hohes Maß an Genauigkeit und Konzentration erfordert. Er hat in der Vergangenheit erlebt, welchen finanziellen Schaden bestimmte Fehler verursachen können und wurde dafür auch zur Verantwortung gezogen. Den Auftrag zur Einarbeitung von Herrn Müller nimmt Herr Schulze sehr ernst. Er ist ein sehr gewissenhafter Mensch und fühlt sich verantwortlich. Herr Schulze ist außerdem, was seine Arbeitszeiten angeht, sehr am Limit und hatte sich eine schnelle Entlastung durch die Übernahme von Aufgaben durch Herrn Müller gewünscht. Die vielen Fragen von Herrn Müller bringen ihn nun zusätzlich aus seinem Arbeitsflow.
Herr Müller beschreibt seine Sorgen, den Ansprüchen, die die neuen Aufgaben mit sich bringen, nicht gerecht zu werden. Er ärgert sich sehr über jeden Fehler, der passiert, kontrolliert alles mehrfach und übersieht doch immer wieder irgendetwas, weil ihm noch der Überblick fehlt und er bestimmte Zusammenhänge noch nicht kennt. Deshalb fragt er – auch bei Dingen, die ihm eigentlich klar sind – inzwischen trotzdem nochmal nach. Der Job ist ihm sehr wichtig und er hatte sich auf die neuen Herausforderungen gefreut. Herr Müller hat ein starkes Bedürfnis nach Sicherheit und wünscht sich eine Zusammenarbeit auf Augenhöhe.
Damit können wir weiterarbeiten
… denn die Interessen von Müller und Schulze stehen sich nicht im Weg. Im Gegenteil.
Auf der Basis des Verständnisses für die Reaktionen des anderen können jetzt gemeinsam Lösungen gefunden werden, die am besten in die Arbeitsabläufe, Vorkenntnisse und Erfahrungen der Kollegen passen.
Individueller Methodenkoffer
Um die Interessen und Bedürfnisse der Konfliktbeteiligten zu erfahren und zu verstehen, gibt es je nach Anzahl der Konfliktbeteiligten, dem Grad der Eskalation oder den Konflikttypen eine Reihe von Methoden. Genauso für die Entwicklung von Lösungen.
Die Lösungen, die die Beteiligten entwickeln und der Weg dahin sind also sehr individuell und es kommt darauf an, als Mediatorin die passenden Methoden auszuwählen.
Gibt es einen Königsweg in der Konfliktlösung?
Trotz des sehr individuellen Vorgehens im jeweiligen Konflikt kann ich aus vielen Teamworkshops und Teammediationen sagen: Dem Konfliktlösungsprozess liegt meist eine ähnliche Grundstruktur zugrunde, die – kurz zusammengefasst – so verläuft:
- Finde die wahren Interessen und Bedürfnisse der Beteiligten.
- Sorge dafür, dass sie aussprechbar werden.
- Helfe dabei, dass die Beteiligten einander verstehen.
- Schaffe so einen Raum, in dem es möglich wird, Lösungen zu finden.
Wichtig dabei besonders:
- Gesagt ist nicht unbedingt gehört.
- Gehört ist nicht unbedingt verstanden.
- Verstanden ist nicht unbedingt einverstanden.
Ungelöste Konflikte kosten meist viel Geld: Arbeitszeit geht verloren, während sich Konfliktbeteiligte streifen und sie geht verloren, während sich Konfliktbeteiligte mit anderen Teammitgliedern darüber austauschen. Außerdem bedeuten Konflikte Stress für die Beteiligten – und sehr oft auch für Führungskräfte und Teammitglieder „drumherum“. Dieser Stress bindet Energie und macht Menschen sogar krank…
Gerne unterstütze ich dich und dein Team dabei, Konflikte zu lösen, wieder effektiv zusammenzuarbeiten und sogar Kosten zu sparen.
Deine Katharina Temme